DIE HEILIGEN SCHEINE
Oktober 2000 bis Februar 2002. Fünfzehn Monate. 87 Konzerte. Eine Legende ohne Album. Bis jetzt.
DIE HEILIGEN SCHEINE waren das perfekte Verbrechen: Eine Band, die alle Regeln des deutschen Punkrock befolgte – und genau dadurch alle brach. Sänger Karl Nagel, Gitarrist Michi "Bratpfanne" Koslowski, Bassist Tommy "Eisenschwanz" Rehberg und Schlagzeuger André "Psycho-Dré" Paulsen spielten querbeet Saufpunk, Hardcore, harten Deutschrock. Manchmal sogar alles gleichzeitig.
Das Konzept: Manager Andreas Berger aus Hannover hatte die Punk-Weltformel geknackt: Nimm die Gemütlichkeit der Toten Hosen, die trotzige Attitüde der Böhsen Onkelz und den Trash-Humor der Kassierer. Misch alles zusammen. Gib den Leuten genau das, was sie hören wollen. Und sag ihnen dabei ganz offen, daß du sie verarschst.
Das Ergebnis: 87 zunehmend erfolgreiche Konzerte. Ein Publikum von Antifa bis Rechtsradikal. Von Intellektuellen bis Proleten. Alle sangen mit. Alle fühlten sich gemeint. Keiner wußte, ob er gerade belogen oder für dumm verkauft wurde. Oder beides.
Die einen feierten die Scheine als authentische Punkband. Die anderen sahen sie als zynische Parodie der Szene. Beide hatten recht. Beide lagen falsch.
Das Album, das nie kam: "Heilige Scheiße - Heilige Glieder" sollte im Februar 2002 aufgenommen werden. Professionelles Studio. Große Sache. Drei Tage vorher: Bandauflösung. Vertragsstreit. Karl Nagel schmißt einen Glastisch durch Bergers Büro und verschwindet. Die anderen versuchen noch, mit Ersatz-Sänger weiterzumachen. Funktioniert nicht. Im März 2002 ist alles vorbei.
Was bleibt: Rund 25 Songs. Manche als Bootlegs im Umlauf. Manche als Live-Mitschnitte. Manche als Fragmente aus Michi Koslowskis Hamburger Homestudio. Das Material wurde aufbereitet, restauriert und am 11.11.2025 veröffentlicht – über zwanzig Jahre später.
Die Wahrheit: Eine Band, die beweisen wollte, daß man Menschen alles verkaufen kann, solange man ihnen gibt, was sie hören wollen. Und die dann an ihrem eigenen Erfolg erstickte.
Die ehrlichste Band der Welt. Weil sie zugab, daß sie log.
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