Nr. 49

Planet der Affen

Wo bitteschön geht's denn hier zum Bürgerkrieg?

aus »Schlund«, 2018

Es war spät am Nachmittag, und der Computer im Arbeitszimmer war schon seit dem frühen Morgen an. Ich rechnete jederzeit mit neuen Mails und schockierenden BREAKING NEWS – sicherheitshalber gleich mal schauen …

Weil keine Mails angelandet waren und ich die Startseite von Spiegel Online, Welt und Konsorten mittlerweile auswendig kannte, ging ich ins Wohnzimmer und schaltete den Fernseher ein. Aber es war zwecklos: CNN, Al Jazeera, BBC News, Euronews, N24, n-tv, Phoenix und Tagesschau24 verbreiteten nur Langeweile.

Leider war es noch Monate hin bis zum G20-Gipfel. Ausgerechnet in Hamburg wollten sich die Mächtigen treffen, um die Verwüstung der Welt zu koordinieren, damit sie sich nicht in die Quere kamen. Typen wie Trump, Putin, Erdogan, direkt vor meiner Haustür.

Zehntausende würden sich auf den Straßen versammeln und auf eine Polizeiarmee prallen, die bestens gerüstet war, Recht und Ordnung durchzusetzen. Und alle Beteiligten würden Hamburg tagelang in ein Tollhaus verwandeln.

Vorfreude ergriff mich; in Momenten wie diesen gehörte »Deutschland muss sterben« von Slime auf den Plattenteller. Also Glotze aus, Mucke an und Sturmhaube über. Ich nahm die beiden Pflastersteine von der Fensterbank, die dort für Ausbruchsbeschwörungen bereitlagen, und begann meinen Tanz. Wie ein Derwisch wirbelte ich durchs Zimmer und klatschte die Steine im Rhythmus der Musik gegeneinander; als Neandertaler mit Umschulung zum Kastagnettenspieler beschwor ich die nahende Unterbrechung der Monotonie und setzte alle Hoffnung in kraftvolle Eruptionen.

Damit in einigen Monaten Claus Kleber mit schiefem, sorgenvollem Blick im heute-journal über die bröckelnde Zivilisation referieren konnte – und ich mich an diesem Anblick berauschen wie ein Kannibale an frischem Menschenfleisch!

Einerlei, ob Linke oder Rechte auf den Straßen randalierten oder Islamisten wegen der Darstellung des Propheten Amok liefen – der Newsjunkie in mir lief zu Höchstform auf, wenn sich Gewalttäter zusammenrotteten. Zap-zap-zap durch 150 Fernsehkanäle, Videotext, Internet – nur nichts verpassen, wenn rasende Horden Botschaften, Asylheime, Banken oder am besten alles gleichzeitig niederbrannte!

Leider geschahen diese Dinge meist nicht in der unmittelbaren Nachbarschaft; es gab zu wenig Gelegenheiten, dem Brandschatzen leibhaftig beizuwohnen. So wollte ich wenigstens virtuell die modernen Dschungelschlachten miterleben und mitfiebern, welches Team die Oberhand gewann.

An manchen Tagen erlaubte ich mir den Spaß, in den Bildern der entfesselten, tobenden Rotte einzelne Teilnehmer zu fokussieren. Ich identifizierte mühelos die Gehirnamputierten, erkennbar an ihrer Körpersprache, an verzerrten Gesichtern und weit aufgerissenen Mündern, an Geschrei und zügellosem Gehampel. Wem kam da nicht eine Horde gereizter, kreischender, umherspringender Affen in den Sinn, die mit Stöcken bewaffnet angriffslustig um sich schlagen? Affen wie ich.

Als ich in den 80ern mein Primatendasein auf der Straße auslebte, hatte das enorme Lust bereitet: johlend durch die Gegend ziehen, beim Anblick des Gegners übermütig gestikulieren, mit animalischem Geschrei angreifen, zerstören, kaputtschlagen, Feuer legen – das hatte was und sprengte die Seele frei. Denk nicht an morgen – dieses Motto trieb uns an. Wir wollten uns lebendig fühlen! Im Jetzt!

Frieden dagegen war langweilig, kompliziert, anstrengend und unsexy. Keine Hormone, kein Prickeln, kein Fick. Frieden produzierte keine Geschichten. Nur der Krieg lieferte den Stoff, bei dem ich mitzittern konnte. Ich hatte kein Interesse an Fernsehprogrammen, Nachrichten, Spielfilmen, Büchern und Videospielen, die daherkamen wie ein Kindergeburtstag.

Nein, ich wollte, dass es krachte! Keine lauwarmen Kompromisse! Öl ins Feuer! Nicht weniger, sondern mehr Mohammed-Karikaturen, mehr Einwanderer, von überall her! Damit unvereinbare Vorstellungen zu Trachten, Burkas und Krawatten die Massen empörten, bis sich alle Seiten leidenschaftlich der Gewalt hingaben! Als kreischende Nacktaffen, die sich gegenseitig an die Gurgel gingen, im Namen des Friedens, der Gerechtigkeit und der Liebe. Auf dass jede arme Seele, die noch unentschlossen vor dem Monitor saß, den Feinden von Irgendwas den Krieg erklärte und auf die Straße rannte. Um dort, mit Schaum vor dem Mund, die Schädel von Arschlöchern, Perversen und Idioten zu zertrümmern. Ihrer Nachbarn.

Ich kaufte die BILD-Zeitung am liebsten, wenn die Suppe in Strömen herauslief. Ich war begeistert, wenn Nazis oder besoffene Plattenbau-Prolls Flüchtlinge erschlugen und reizbare, importierte Gewalt-Gorillas aus Syrien, dem Irak oder der Türkei wahllos irgendwen zertrampelten oder abstachen. Fand es geil, wenn Passagierflugzeuge in Wolkenkratzer krachten und Tausende töteten. Mein Adrenalin floss in Strömen, wenn Polizisten Demonstranten blutig schlugen, Städte in Schutt und Asche fielen, Armeen Granathagel abfeuerten und Fassbomben auf Zivilisten abwarfen. Ich wollte sehen, wie die von willkürlichen Ideen erfüllten Irren die Vernunft in den Müll kippten. Wie Leute hasserfüllt nach RACHE schrien, um sich für einen kurzen Moment FREI und LEBENDIG zu fühlen. Mir ging es ja nicht anders.

Ein Präsident wie Donald Trump schien wie ein Versprechen dieser absoluten Freiheit. Ein Mann wie ein Vulkan. Mr. Krakatau mit Lust auf vernichtende Ejakulationen, Mit Gewalt geht alles sein heimliches Motto, so wie im Song der Heiligen Scheine.

Bis sich eines Tages alle gegenseitig an die Gurgel gehen würden, um zum Abendessen die Brüste und Schwänze ihrer Gegner zu verspeisen.

Wenn ich auf mein Leben zurückblickte, erkannte ich eine durchgehende Blutspur. Ich lebte in einer surrealen TV-Comedy namens »Wo bitte geht’s den hier zum Bürgerkrieg?«, und alle wollten als Komparsen mitspielen.

Auch ich war scharf darauf, die Welt zerbersten zu sehen, und gleichzeitig versuchte ich, ihr fernzubleiben. In meinem Tunnelblick gab es sie nicht.

 

Als sich der Song mit »Deutschland verrecke«-Rufen seinem Ende entgegenschrie, zog ich die Sturmhaube vom Kopf und legte die Steine zurück auf die Fensterbank. Ich begriff, dass mich die dunkle Seite der MACHT steuerte. Sie ließ mir keine Wahl - mir und der übrigen Menschheit! Wir konnten nicht anders, als von Gewalt, Krieg und Zerstörung zu fantasieren. Und jeder Internet-Dildo bediente die Gier nach abartigeren Informationen.

Die Furcht vorm Säbelzahntiger steckte uns in den Knochen – ein Konstruktionsfehler des Homo sapiens! Gemessen am Alter des Universums waren wir ein hektisch zusammengeschnittener Trailer der Menschheit, der »freie Wille« ein Witz. Unsere angeborene Sensationslust gab den Kurs vor.

Ich setzte mich aufs Sofa, schüttelte mir einen ab und beendete den Wichs kurz vorm Orgasmus. Als Beweis, dass ich es jederzeit konnte! Ohne Display-Mösen, Papiertitten oder Selbstmordattentäter als Trigger.

Und jetzt?

Wie konnte ich herausfinden, was ich wollte? Wie würde ich auf meine Weise frei sein?

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